Community Spotlight: Neil Hanlon und Rocky Linux
Manche meinen, Softwareentwicklung sei mehr als nur die Erstellung von Quellcode. Sie sehen ihre Hauptaufgabe in der Lösung von Problemen. Das ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber für uns steht die Problemlösung definitiv im Mittelpunkt! Die Fähigkeit zur Problembewältigung ist eine Eigenschaft, die ich in unserer Branche besonders bewundere. Wenn Entwickler eine starke Nachfrage oder eine Lücke im derzeitigen Angebot erkennen, reagieren sie darauf, indem sie eine passende Lösung entwickeln. (So war es auch bei Fastly: Artur, Tyler und Simon waren mit den verfügbaren CDN-Lösungen unzufrieden und entschlossen sich, es besser zu machen.)
Bei Rocky Linux, Mitgliedssoftware des Fast Forward Programms von Fastly, handelt es sich um ein auf Open Source basierendes Enterprise-Betriebssystem, das zu 100 % mit Red Hat Enterprise Linux fehlerkompatibel ist. Als bekannt wurde, dass CentOS (der Vorgänger von Rocky) End of Life erreicht hatte, machten sich Gregory Kurtzer und das Gründerteam von Rocky daran, eine neue Distribution zu entwickeln, die die ursprünglichen Ziele von CentOS weiterverfolgt.
Rocky und seine Community sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Wissen und Engagement nicht nur Innovation fördern, sondern auch Begeisterung wecken. Kurtzers Aufruf an die Community, sich an der Entwicklung von Rocky zu beteiligen, fand überwältigende Resonanz. Ich wollte mehr über die Unternehmensgeschichte von Rocky erfahren, herausfinden, was neu ist und wie es weiter geht. Dazu bat ich Neil Hanlon, dem Infrastructure Lead von Rocky, um ein Gespräch.
Hannah Aubry: Zuerst ein paar Worte zur Vorgeschichte: Wie kam es zu Rocky Linux und was hat Sie dazu veranlasst, sich dem Projekt anzuschließen?
Neil Hanlon: Die Idee zu Rocky Linux entstand im Grunde im Dezember 2020 durch einen Kommentar auf einen Blogpost von Gregory Kurtzer im CentOS Blog. In diesem Beitrag wurde der Richtungswechsel von CentOS zu CentOS Stream angekündigt. Greg erwähnte, dass er über die Einführung eines neuen CentOS Clones nachdenken würde, und lud Interessenten zu einem Slack ein. In diesem Slack fanden sich sehr schnell mehr als 10.000 Leute ein, die wissen wollten, wie sie helfen konnten.
Nachrichten flogen hin und her, mitunter Hunderte von Sofortnachrichten pro Minute. Irgendwann fand ich mich mittendrin wieder, als Leiter des Infrastrukturteams, zusammen mit meinem neuen Freund und Helfer, Taylor Goodwill. Das Reizvolle an diesem Projekt war das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, und alle meine Kompetenzen und Fähigkeiten in die Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Enterprise Linux Community einzubringen. Das Beste an der Arbeit an Rocky Linux sind die Leute, die ich auf diesem Weg kennenlerne und mit denen ich täglich zu tun habe.
Hannah Aubry: Warum war es so wichtig für Sie (und die Community), ein auf Open Source basierendes und von der Community getragenes Betriebssystem zu entwickeln? Was sind die Vorteile für Unternehmen?
Neil Hanlon: Nach Red Hats Entscheidung, auf CentOS Stream umzusteigen, fühlten sich viele Nutzer im Stich gelassen und sahen sich mit zahlreichen Unbekannten konfrontiert. Es stellte sich heraus, dass Stream für viele Leute eine gute Alternative ist. Dennoch wünschen sich viele Nutzer ein Rebuild wie Rocky oder brauchen es sogar, und genau das haben wir uns zum Ziel gesetzt.
Wir wussten von Anfang an, dass wir CentOS nicht einfach nur neu erfinden wollten. Alle Entwicklungsschritte sollten für andere nachvollziehbar sein. Die beste Lösung bestand für uns darin, dafür zu sorgen, dass das gelegentlich etwas undurchsichtige Wissen über die Zusammensetzung eines Enterprise Linux OS nicht in Vergessenheit gerät. Deshalb entwickelten wir Tools und Prozesse, die volle Transparenz und volle Reproduzierbarkeit ermöglichen. So versuchen wir, uns vor der Einflussnahme durch große Player zu schützen. Schließlich lässt sich alles, was wir erstellen, problemlos in verschiedene Entwicklungszweige aufspalten und nachverfolgen.
Hannah Aubry: Erst kam Release 8.7 und gegen Ende vergangenen Jahres Release 9.1. Was ist neu?
Neil Hanlon: Da weiß ich gleich gar nicht, wo ich anfangen soll … In Version 9.1 gibt es viele Neuheiten! Eine vollständige Liste finden Sie in unseren Release Notes (https://docs.rockylinux.org/release_notes/9_1/), aber hier ist ein kurzer Überblick:
Rocky Linux 9 wurde mithilfe von Peridot erstellt, unserem neuen, auf Open Source basierenden Build-System. Mit diesem Build-System können wir mehr Systemarchitekturen unterstützen, so auch ppc64le und s390x. Zudem erleichtert uns Peridot Entwicklungen für unsere Gruppen mit besonderen Interessen.
Rocky Linux 9.1 wird mit der neuesten Kernel-Version 5.14.0-70 von Enterprise Linux geliefert. Natürlich wurden auch die Development Toolchains und die Laufzeitumgebungen aktualisiert, und zwar auf GCC 11.2.1, glibc 2.34 und binutils 2.35.2.
Rocky Linux 9 bietet von Haus aus cgroup V2. Viele Tools für die Containerisierung enthalten Funktionen, die diese neueste Generation der cgroup-API erfordern.
Rocky Linux 9.1 enthält außerdem Keylime, ein Continuous-Monitoring-Tool für die Integrität von Remotecomputern.
Hannah Aubry: Wie war die Arbeit an dem Release? Gab es Überraschungen?
Neil Hanlon: Wir arbeiten ja im Prinzip erst seit knapp 2 Jahren zusammen, aber manchmal fühlt es sich wie ein ganzes Jahrzehnt an. Egal wie viel Zeit wir auch in eine Distribution von Rocky Linux stecken, Überraschungen gibt es immer wieder. Glücklicherweise sind die meisten eher positiv.
Eine große Konstante bei jedem Release ist das unglaubliche Engagement unserer Community!
Hannah Aubry: Warum haben Sie sich für Fastly entschieden? Welche Rolle spielte das Fastly CDN bei diesem Release?
Neil Hanlon: Ich nutze Fastly schon länger, sowohl privat als auch beruflich. Mir hat die Funktionalität von Fastly schon immer gefallen, und auch die DevOps-first-Methodologie für die Bereitstellung und Ausführung von Services auf und in der Nähe der Edge. Fastly fungiert als Caching Layer für die Release-Artefakte von Rocky Linux. Das ermöglicht es uns, selbst riesige Dateien wie unsere ISOs nah an unseren Nutzern zu cachen und anzubieten. Am Tag des Releases ist die Nutzung von Fastly als Shield ein riesiger Segen für die Infrastrukturteams. Wir würden es auch ohne ein CDN wie Fastly schaffen, aber es wäre viel schwerer. Wir sind unglaublich dankbar für den kontinuierlichen Support durch Fastly.
Hannah Aubry: Was steht als Nächstes auf der Roadmap von Rocky Linux?
Neil Hanlon: Wir stehen kurz vor der Ernennung des ersten Vorstands der Rocky Enterprise Software Foundation. Diese Stiftung ist der Rechtsträger des Rocky Linux Projekts. Das ist schon lange in Planung und wir freuen uns sehr darauf! Die neue Satzung, die neuen Statuten und der Organisationsaufbau sollen unserem Versprechen an die Community, auf ewig ein freies, auf Open Source basierendes Enterprise-Betriebssystem zu bleiben, einen rechtlichen Rahmen bieten und es schützen.
Hannah Aubry: Wie kann sich die Fastly Entwickler-Community einbringen, und wo kann man mehr über das Projekt erfahren?
Neil Hanlon: Unser wichtigster Treffpunkt für die Community ist unser Chat „Mattermost“ auf https://chat.rockylinux.org, auch verfügbar im IRC auf Libera unter #rockylinux. Dann haben wir ein Forum auf https://forums.rockylinux.org und Mailing-Listen auf https://lists.resf.org[undefined](https://lists.resf.org/). Wenn es darum geht, sich einzubringen und mehr zu erfahren, empfehle ich, unserem Chat beizutreten und sich an der Unterhaltung zu beteiligen! Natürlich finden Sie uns und alle unsere Open-Source-Softwareprojekte auch auf Github.